«Architektin Tilla Theus über Entwürfe und aktuelle Bauprojekte»
Die erfolgreiche Schweizer Architektin Tilla Theus (*1943) kommt ursprünglich aus Chur/GR. Sie studierte an der ETH, als noch kaum eine Frau zur Universität ging. 2022 wurde sie von der VSI.ASAI mit dem höchsten Architektur-Preis für ihre über 50 Jahre brillante Karriere ausgezeichnet. Die FIFA und das Hotel Widder gehören zu den Highlights ihrer Bauten.
Julieta Schildknecht: Der bekannte Schweizer Photograph Hans Danuser, der auch aus Chur kommt, nennt Sie als Architektin eine Kämpferin. Wie würden Sie sich selbst definieren oder über sich selbst sprechen?
Tilla Theus: Ja, vielleicht hat er schon etwas recht. Ich bin sicher, wenn ich von etwas überzeugt bin, das ich über eine längere Zeit erarbeitet habe und verglichen habe mit vorher, nachher, mit parallelen Fällen oder mit anderen Situationen, kann ich relativ hartnäckig sein, um das zu erreichen, was mir jetzt in der Architektur für eine gewisse Situation als richtig erscheint. Natürlich müssen Gesetze eingehalten werden, die ganzen bautechnischen Bestimmungen.
Man kann sagen, dass Sie Geschichte in der Schweizer Architektur geschrieben haben. Können Sie erzählen, wie Sie angefangen haben und wieso Sie diese Karriere ausgesucht haben?
Ich habe an der ETH studiert und dies zu einer Zeit, als noch nicht viele Frauen bis zum Abschluss dabei geblieben sind und sich auch Teilzeitfragen nicht in dem Masse gestellt haben und wir heute viel flexibler auf diese Fragen reagieren. Das betrifft nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Das ist neu und grossartig, aber zu meiner Zeit war es noch nicht so. Ich habe mir nach dem Diplom diese Situation recht klar überlegt, da ich der Meinung war oder bin, dass ich ja dasselbe Studium absolviert habe wie meine männlichen Kollegen und ich nicht möchte, wie oft damals, dass ich als Architektin, als Frau in der Architektur, dann einfach Küchen, Bäder, Einfamilienhäuser, d.h. Innenräume dekorieren und mit den Personen verhandeln kann. Sondern ich wollte ich in einem anderen Maassstab kreativ sein, wie es mich auch meine Professoren, Professor Hössli am Anfang, danach Professor Schader und Camenzind gelehrt haben. Auch durch ihre Aufgaben, die sie uns stellten, haben wir zum Beispiel ein Kongresszentrum in der Stadt Zürich oder eine Ferienhaus-Siedlung in Manjol geplant. Es waren Aufgaben, die eben einen grösseren Maassstab beinhalteten und das hat mir Freude gemacht, es hat mich gefordert und so wollte ich auch später tätig sein. Das war dann auch möglich, denn einen Tag nach dem Diplom habe ich schon mein Büro eröffnet und das Glück wollte es, dass wir dann sechs Monate später einen grösseren Wettbewerb von einem Altersheim und Alterswohnungen mit einem Ensemble als Altbauten gewonnen haben und im Glarnerland ausführen konnten. Wobei ich die Bauleitung selbst gemacht habe, was Anfang der 70er-Jahre noch ohne Frauenstimmrecht schwierig war, weil es im Glarnerland nicht Usus war, dass man als junge Frau in einem technischen Beruf auf der Baustelle steht.
Mittlerweile dauert Ihre Karriere schon fast fünfzig Jahre. 2021 wurden Sie mit dem höchsten Architektur-Preis der Schweiz – VSI.ASAI ausgezeichnet. Die Zeremonie findet in Muri in einem Ihrer aktuellen ikonischen Bauwerke statt. Wieso dort bei Hotel Caspar und was bedeutet es, so engagiert zu sein mit solchen Projekten, während sich in diesem Alter viele andere Architekten schon pensionieren lassen?
Wissen Sie, ich glaube in der Architektur ist man als Architekt bis fünfzig jung. Erst ab fünfzig wird einem etwas zugetraut. Darum kann man auch bis neunzig (lachen) Architektin bleiben. Es ist ein Beruf, der kein Limit hat.
Die Weisheit, auch die Erfahrungen…?
Das Alter hat nicht nur negative Seiten, es hat hoch positive Aspekte. Früher war es doch oft so, dass, wenn ich mit meinem Team zu einer Bauernschaft kam, man immer mit meinem Männern gesprochen hat, aber nicht mit mir. Man meinte, ich sei eigentlich die Sekretärin des Teams.
Wie beim Bau in Dubai, der abgesagt wurde?
Ja (lacht). Das hat man, wenn man älter ist, dann passiert sowas nicht mehr. Wenn ich jetzt mit meinem jüngeren Team von Kollegen mitkomme, dann nimmt man mich doch als Tilla Theus.
Sind es 16 oder 18 Leute die mit Ihnen arbeiten, im Team?
Ja, momentan sind wir soviele.
Für der Preisverleihung habe ich mir gewünscht, dass es in einem Gebäude stattfindet, das ich selbst geprägt habe. So dachte ich mir, Caspar ist neu, das wird erst eröffnet und ist am 19. Mai erst zwei Monate offen. Das hat auch einen Überraschungseffekt und neu interessiert immer mehr. Also hoffe ich, dass eher Leute den Weg dahin finden werden.
Welche andere Preise haben Sie bekommen? Den Holzpreis für Energie? Grünenergie und Nachhaltigkeit haben Sie auch erreicht mit dem Bau von Caspar, oder?
Das ist heute selbstverständliches Know-how, dass wir nachhaltig bauen, dass wir an die Nachhaltigkeit denken, das gehört dazu. Da ist ja eigentlich ein ganzes Team an der Arbeit und gerade zu diesen Energiefragen brauche ich die Unterstützung im eigenen Team und von unseren Planungspartnern. Es ist vielleicht ein Anstoss, den man gibt und plötzlich merkt man, dass sich Teammitglieder und Planungspartner sehr dafür interessieren und einen Beitrag bringen, den man nicht erwartet hat. Somit kann man etwas Neues einbringen.
Ich würde gerne mehr über Ihre ikonischen Bauprojekte wie den Hauptsitz von der FIFA erfahren. Warum haben Sie dieses besondere Format ausgesucht?
Die FIFA ist eigentlich vom Gebäude her eine Maassstabsfrage. Das Gebäude ist 150 m lang, 50 m breit, 12 ½ m hoch und hat sechs Geschosse im Untergeschoss. Es sind 25 m in der Tiefe. So ein Bauwerk in eine Umgebung einzufügen, die ja die Erholungszone von Zürich ist, die Sportanlagen liegen dort oben und auch der Zoo, ist eine grosse Aufgabe. Wenn man so ein Riesenteil einfügt in eine Waldlichtung, dann war es spannend, dass man das nicht unbedingt von aussen erkennt.
Ich habe in einem viel kleineren Maassstab für den Internationalen Eishockey-Verband die alte kleine Villa Landolt umbauen dürfen, aber wir brauchten moderne Büroräume dazu, und da habe ich es wie einen Container in den Park gesetzt, mit einem umfassenden Streckmetall. Anders gesagt, dass sich das moderne Gebäude völlig zurücknimmt für diese kleine Villa auf einem Kleinsthügel. Das moderne Gebäude ist schmal, lang und hoch. Das Kupferstreckmetall war nach einem halben Jahr ganz dunkelbraun. Es hat sich quasi in die Umgebung hineingeduckt. Das war mir eine positive Lehre. Da oben ging das nicht mehr in den Dimensionen für das FIFA Gebäude, mit Kupfer zu arbeiten.
Aber es ist eine wunderbare Landschaftsarchitektur …
Ja! (lacht) Wir haben in einem Wettbewerb die verschiedensten Geländesituationen für den Bau geprüft. Es ist dann die Wahl der FIFA gewesen, dass man es auf diesem Landstück realisiert. Um das verträglich für das Umfeld zu gestalten, habe ich dieses Aluminiumnetz um das Gebäude gewickelt, aber mit diagonalen Bindungen, sodass es eine geschwungene Form erhält und nicht einfach nur ein viereckige Kasten ist…
… sehr harmonisch…
… auch das Dach, das alles anders wirkt und das Erdgeschoss,welches etwas in der Senke liegt, auch 3 bis 4 Meter zurückgesetzt ist, sodass dieser Körper etwas schwebend wirkt.
Sie sind Mitglied der Kommission für Denkmalpflege des Kantons Zürich seit 1974. Was bringt einen modernen Touch zu einem Gebäude unter Denkmalschutz? Wie transformiert man ein traditionelles Gebäude zu einem ikonischen Bau, wie beim Hotel Widder?
Ich war 38 Jahre in dieser Denkmalpflege-Kommission, die erste Frau und noch sehr jung…
Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich musste einen Vortrag halten über ein Gebäude von mir und der Kantonsbaumeister war unter den Zuhörern. Nachher ist er zu mir gekommen und fragte, ob ich Interesse hätte, in so einer Kommission mitzuarbeiten. Ich muss gestehen, ich hatte eher etwas Angst davor, weil ich mich nicht so kompetent gefühlt hatte. Doch er meinte, alle hätten einen Lernprozess zu durchlaufen. So kam ich dann dazu und später wirkte ich 12 Jahre lang in der Eidgenössischen Kommission. Das ist eine wichtige Schulung, weil man lernt, an einem fremden Objekt zu beurteilen, was möglich und was nicht möglich ist, und Sie sind verantwortlich, aber nicht so, wie wenn es Ihr eigenes Gebäude ist. Das war für mich eine wichtige Schulung.
Das Hotel Widder war ein Glücksfall, der mir zugefallen ist. Eigentlich sollte ich dort als Aufgabe ein bestehendes Projekt etwas innenräumlich verbessern. Es gab eine Baubewilligung für ein Projekt in diesem Gebiet und das Quartier hat sich gegen diese Baubewilligung gewehrt, weil es damals erst ein aussenräumlicher Schutz war. Also nur die Fassaden waren geschützt. Dieses andere Projekt hatte die Böden von allen acht Gebäuden nivelliert und so sind die Decken zum Teil durch die Fenster “als wären sie gelaufen”. Das wollte das Quartier, wo Leute vom Heimatschutz gewohnt haben, unter gar keinen Umständen, dass sowas gebaut würde.
Dr. Robert Holzach, der damalige Präsident der UBS, hat mich aufgefordert, mir innenräumlich etwas einfallen zu lassen. Ich hatte sechs Wochen Zeit mit meinem Team und nach drei Wochen, haben wir gemerkt, wir können machen, was wir wollen, es geht nicht, weil der ganze Ansatz des Entwurfs falsch war. Man kann nicht acht Gebäude, die drei Meter Höhenunterschied haben, auf ein Gleis schlagen. So habe ich die zweiten drei Wochen dazu verwendet, ein anderes Konzept zu entwickeln. Es war mir ein Anliegen, dass jedes Gebäude seinen Deckenboden behalten kann und dass jedes Gebäude seine Fassadenraumschicht behält. Eigentlich haben wir nur die mittlere Partie, die Korridorzonen und Nasszellen verändert. Das wurde dann aber auch schwierig, es waren normale Altstadthäuser und die Korridore nicht auf einer Linie verknüpfbar. Ich habe mir gesagt: es können auch Hallen gegeneinander verschoben sein, wichtig ist, dass man dazwischen durch kommt…
Sie haben viel mit Stein gearbeitet, das ergibt eine grosse Tiefe …
Ja, und irgendwie gibt es den Gebäuden ihre Lebendigkeit zurück. Mit diesem Konzept wurde das von den Hoteliers beurteilt. Da hatte ich wieder Glück, dass diese Hoteliers ein gewisses Renommée hatten. Man muss denken, es war 1983/85. In dieser Zeit galt für die 5-Sterne- Hotellerie Brokat, roter Samt, Bogen, Stuckatur und herrschaftliche Rundtreppen im Eingang und viel Gold… Die Leute sagten, sie hat noch nie ein Hotel gebaut und gewisse negative Kommentare meinten, ich könnte mir ein 5-Sterne-Hotel gar nicht leisten. Also wie kann ich mir vorstellen, was der Gast will? Vielleicht war das eben gerade meine Chance!
Was sind die Verantwortungen von einem Mitglied des Liceo Artistico in Zürich und Roma?
Ich hatte das Liceo Artistico umgebaut von einer Villa, die als Schulgebäude genutzt wurde, zum einem Schulgebäude für das Liceo Artistico. Das war eine recht lange intensive Zeitspanne. Der erste Direktor Moss seinerzeit hat wahrscheinlich praktisch gedacht. Er dachte sich, wenn so ein komplexes Gebäude plötzlich ein Schulhaus wird, nicht zu vergessen, dass wir wunderbare Oberfläche hatten mit heiklen originalen Stuckornamenten, wie man sie nie mehr herstellen kann. Ich habe immer dafür plädiert, dass ich überzeugt bin, dass junge Leute, wenn sie in so einem schönen Gebäude zur Schule gehen, dem auch Sorge tragen.
Das muss Leute generieren, die eine Sensibilität für das Artistische haben. Das kann man nicht unbedingt in einem Miethausblock irgendwo bekommen. Wenn man diese Räume spürt, diese Oberflächen streicheln kann mit seinen Augen, dann wird man es respektieren. Direktor Moss holte mich in die Kommission und dachte wohl, dann hat er den Service jederzeit zur Hand. Es hat mich aber auch, muss ich gestehen, sehr interessiert, die Schülerinnen und Schüler zu begleiten. Ich hätte nie gedacht wie komplex so eine Schule ist und wie komplex die Situationen der Schülerinnen und Schüler sind, wie viele Schwierigkeiten bestehen, Unsicherheiten…
Herausforderungen…?
… und ganz eigenartige Themen. Das hat mich gefreut. Ich war 12 Jahre dort und wurde dann von dem anderen Direktor gebeten, länger zu bleiben, weil ich eine positive Resonanz bei den Schüler:innen hatte. Das macht natürlich Freude, wenn junge Menschen das Engagement spüren.
Beim Eingang zu Ihrem schönen Büro hängen ein paar Auszeichnungen von guten Bauten. Wenn man davon denkt, gute Bauten, was bedeutet es, einen altes Bankhaus wie die Bank Leu umzubauen, damit es zum Hauptsitz von Bank Pictet wird? Sprechen wir von Zeitraum?
Es ist eigentlich ein Glücksfall, weil Bankier von früher und Bankier von heute bevölkern die obere Geschosse. Die haben andere Arbeitsweisen, es hat sicher ganz viel geändert. Ich behaupte aber, ein Bankier von früher und ein Bankier von heute haben einen endlichen Spirit. Das ist für ein Gebäude ein ganz wichtiger Ansatz. Im Obergeschoss, wo die Büros und Zusammenkunftsräume, Auditorien, Cafeteria sind, mussten wir nicht gegen das Gebäude bauen. Klar, die Denkmalpflege hat verlangt, dass Massnahmen, die zwischenzeitlich gemacht wurden, das Gebäude war ein bisschen kaputt, die Korridorzonen nur noch 1.20 m statt früher 2.60 m – eine ganz andere Allüre – wieder hergestellt wurden, konnten aber durch ein neues feuerpolizeiliches Gesetz auch die ganzen Oberlichter in den Korridorzonen, diese Mittelaxe wieder agieren und reagieren. Dadurch haben diese Begegnungszonen eine ganz neue alte Qualität bekommen, weil wir die parallel zur Bahnhofstrasse liegenden Korridorzonen zum Licht geführt haben.
… an alles wurde gedacht inklusive an die Decke, oder?
Unser Job ist umfassend, da kann man nicht irgendwo aufhören. Es gehört das ganze Gebäude dazu.
Sie bringen die Vergangenheit in unsere Gegenwart auf eine sympathische Art ein. Es wird angenehm sein, in diesen Gebäude zu leben und die Atmosphäre der Räume zu spüren…
Ich mache mir immer viele Gedanken. Wie sich der zukünftige Nutzer verhält, was sind seine Bedürfnisse? Wie kann ich es so gestallten, dass es auch in der heutigen Zeit als angenehm, als wohltuend empfunden wird, in so einer Situation zu arbeiten oder zu wohnen. Ich mache eigentlich alles für mich selbst. Das ist gar nicht so ein schlechter Ansatz. Es besteht die Chance, dass ich mich auch als eine andere Person wohlfühlen kann…
Können Sie über ihre eigene Gedanken und Entscheidungen, wenn Sie drei Jahre arbeiten mit einem Bauherren, der ziemlich anspruchsvoll wie Swiss Re ist, sprechen?
Wir brauchten auch hier in Muri sechs Jahre. Während der Fifa waren es 28 Monate. Wir sind es uns eigentlich gewohnt.
Ist es abhängig von Bauherren?
Auch.
Bei Swiss Re haben Sie verschiedene Bausubstanzen verbunden, oder?
Bei Swiss Re haben wir eigentlich den Innenhof wieder von all seinen Einbauten, die Leere mit einem Glasdach gedeckt, die eine grosse Qualität hat. Gerade heute mit der Home Office-Pflicht ist es doppelt wichtig, dass es Zonen für Treffen gibt mit grösseren Maassstäben.
Es gibt noch ein anderes ikonisches Projekt beim 1967er Bürogebäude von Höfli, Moser, Steiger. Können Sie etwas davon erzählen, wie Sie die Substanz transformiert haben?
Es war auch ein Wettbewerb, das Gebäude Kirchenweg 248, drei Gebäude, die wurden für Swiss Men gebaut und die Firma war dort von 1967 bis wir den Umbau machten, sagen wir mit ihren Büros “wohnhaft” und betrieben das Gebäude. Das war für uns ein Glücksfall. Weil, wenn die eigene Firma dort bleibt, und das Gebäude ist für sie gebaut worden, nie umgebaut, hat man die Chance, mit der originalen Bausubstanz zu arbeiten, ohne mit grossen starken Veränderungen konfrontiert zu werden.
Sie haben zusätzliche Veränderungen gemacht, die ihre eigene Signatur repräsentieren: sie bringen Klarheit, Leichtigkeit und Lebensqualität zu einer schweren Bausubstanz.
Das war mir ganz wichtig. Ein Bürogebäude aus dieser Zeit hatte die Elektrokanäle auf einer Höhe von 80 cm oder 90 cm. Immer, wenn Sie auf einem Sofa sitzen, haben Sie ein Brett vor dem Kopf. Für eine living situation wäre das unmöglich. Das ist ein wichtiger Aspekt, dass es mir gelungen ist, diesen Elektroknaller zu entfernen, obwohl das Gebäude unter Schutz steht und nur mit einer kleinen Reminiszenz an die Glasrüstung diese raumhohen Fenster in Erinnerung zu rufen. Das zweite ist, dass Bürogebäude, die keine Balkon haben, als Wohnungen an so einem wunderbaren Park ohne Aussenraum eine Zumutung für die Bewohner sind. Man möchte nach draussen und kann nicht. So habe ich schon im Wettbewerb eine Balkonschicht gegen den Park vorgestellt in der Ausformulierung, wie die Passerelle zwischen den Gebäude 6 und 8. Das wirkt jetzt selbstverständlich und wurde von der Stadt so genehmigt. Da haben wir spannende Situationen gehabt…
Es hat so viel Licht bekommen und ist so leicht geworden…
… wir haben aber erkannt, dass dieses Gebäude im Erdgeschoss hochgestellt wurde über offene Parkplätze. Diese habe ich in Townhouses entwickelt. Jetzt ist eine 1.20 m hohe Betonschicht unter den Zügen im Doppelpark. Sie liegen in den Townhouses drin. Die haben grossartige Kraft erhalten, aber wesentlich mehr Nutzfläche, aber Nutzfläche, die nun den Bewohnern zugute kommt.
2015 sagten Sie: “Alle meine Häuser entwickle und diskutiere ich intensiv mit den Bauherrschaften für deren Zweckbestimmungen. Aber im Stillen baue ich stets auch ein bisschen für mich. Darum könnte ich in alle Wohnungen einziehen.” Was können Sie über diesen Kommentar sagen?
Es stimmt, weil, wenn ich ein Mehrfamilienhaus baue, das haben wir jetzt in Uerikon und werden ein weiteres in Witikon erstellen, richte ich jede Wohnung ein. Ich versuche, die Gebäude von aussen nach innen, aber auch von innen nach aussen zu entwickeln. Nicht nur einseitig, sondern bewusst in gegenseitiger Inangriffnahme die Durchdringung von diesen beiden Situationen. Darum mobiliere ich alle Grundrisse und gebe diese dien zukünftigen Bewohnern ab. Es ist recht schön, die Kommentare zu hören, die mir dann ein halbes oder ein Jahr später ins Büro flattern, dass sie sich anders eingerichtet hätten und jetzt umgestellt haben, wie es eigentlich vorgegeben war und sie sich sehr wohl fühlen würden.
Sagen sie das auch über die Büros?
Bei Büros ist es ein bisschen anders, weil jeder Kunde andere Bedürfnisse hat. Die Fifa und die Eishockey-Federation wollten aus 4er oder 8er-Büros eher 2er Büros aus Sprachfragen. Bei internationalen Büros ist das Sprachendurcheinander vielleicht zu gross. Swiss Re will ja Grossraum-Büros. Pictet wünscht die Lounge Cafeteria / working coffee als Korridorsitzungsraum. Jede Firma hat eine verschiedene Bürokultur. Ich richte mich nach dem, was man dann zusammen herausschält. Diese Konzerne, die dann grössere Büros bestreiten, haben recht klare Vorstellungen, wie sie die Büroarbeit sehen. Sind es Teams, dann sind es Teams, die sich ständig anders zusammensetzen, etc.
Beim Caspar Hotel zum Beispiel merkt man, dass Sie auch kreativ mitgewirkt haben mit Möbeln. War das ein Auftrag von Tom Gut?
Ich versuche immer alles zu gestalten. Ich möchte mich eigentlich nicht nur um die Baugrube kümmern und nachher kommt ein Innenarchitekt und macht meine Vorhänge. Das mache ich lieber selber.
Die Stühle im Restaurant sind ganz besonders. Metall und Holz, mit ein wenig Biedermeier- Einfluss.
Ja. Die sind von mir, die haben wir so gewellt.
… und die Grosszügigkeit von den Lampen?
Die Lampen sind Eigendesign. Stühle habe ich früher entwickelt, weil ich früher viele Altersheime gebaut habe und kein Mobiliar des Altersgewichts entsprechend entwickelt worden war. So habe ich das selbst gemacht. Ich hatte ein gewisses Glück, weil Zingg-Lamprecht damals als Firma interessiert war, solche Prototypen für mich herzustellen und nachher den Entwurf zu verkaufen. Mich hat nur interessiert, dass mein Altersheim den besten gewellten Stuhl bekommt, so wie ich es möchte, dass es da drinsteht. So hat mich der Entwurf nachher absolut nicht mehr interessiert, wobei dann später mein Team sagte, das sei verschenktes Geld. Mich interessiert der Bau.
Barrock Palais Rechberg im Hirschengraben: dort haben Sie die Tapeten und Vorhänge entworfen. Können Sie über die Details der Tapete und Böden etwas erzählen?
Die Betreiber wollten auf diesem wunderbaren steinernen Salonboden, der unregelmässig und sehr alt und abgelaufen ist, auch mit Seifenwasser abgeschrubbt, einen Teppich legen. Ich brachte es nicht übers Herz, da einen Teppich einzufügen, weil in der Stille dieser Halle die Erhabenheit in der Leere liegt. So habe ich den Teppich genau in der Farbe des Sandsteins getönt, das Muster der Sandsteinplatten haben wir durchgepaukt und nachher auf den Teppich übertragen und die letzten 15 cm von der Steinzeichnung zum Rand des Teppichs degradée ausklingen lassen. Weil er nicht ganz präzis aufgelegt ist, stört es das Auge, wenn plötzlich der Strich 20 cm neben dem
Originalstrich liegt und durch diese kleine Massnahme wird das überspielt.
Die Materialien, die Sie für ihre Projekte brauchen, merkt man, sind für Sie ganz wichtig. Bei der Fifa war es der Marmor. Beim Restaurant AuGust, sind es Details wie Keramikplatten und viel Eisen, weil es ein Fleischrestaurant ist, es sieht fast aus wie eine Grill Garage…
Bei dem Auftrag wollten die Hoteliers ein Fleisch-Bistro. Ich hatte mich vorher sehr vertieft in all diese möglichen Bistros, Metzgereien, die noch Bistro haben.
Dann haben Sie das Clipper-Restaurant auch umgebaut?
Es ist erstaunlich, dass mein Büro so ein Kettenrestaurant betreut. Und es ist alles bereits vorgeschrieben. Die Innenarchitekten kamen immer von Istanbul und ich konnte mit denen so kommunizieren, dass mir gelungen ist, den Raum in das Konzept anzupassen. Da hatte es schon die Malerei von Carigiet, die wir wieder zum Tragen gebracht haben, und die alte Treppe von diesen Zeiten. Die grösste Schwierigkeit war, dass eigentlich ein Kiosk vorher an dieser Stelle eingebaut gewesen war. Diese Kioskfassade von den 50er-Jahren ist geschützt. In der Verzweiflung, dass es fast nicht lösbar war, weil wir noch eine Flachtüre machen mussten…
In den Kiosk habe ich einfach eine Tür hineingeschnitten. Diese Tür hat sowas wie ein Absatz, ein Röcklein, das ist der Kiosk. Die Kiosk-Ausgabe ist einfach ein heruntergelasser Fensterladen. Das fand ich auch ganz lustig. Man spürte es nicht, weil diese Türe nur im Brandfall notwendig ist. Es sieht pfiffig aus.
Das AXA-Gebäude und das Plaza? Was haben beide gemeinsam?
Eigentlich nichts. Axa ist an der Bahnhofstrasse 53, das ist die alte Volksbank. Da war es ja nötig, dieser geschlossene Kasten aus Stein, weil der Verwaltungsrat der Volksbank damals Solidität des Geschäftes durch diese massive Sandsteinfassade auch im Erdgeschoss demonstrieren wollte. Jetzt ist es ein Verkaufsgebäude, ein Retailgebäude.
Ist das Plaza nicht auch ein Verkaufsgebäude?
Nein, weil hier im AXA-Gebäude sollte ich als Retailer zum Kunden eröffnen. Deswegen habe ich die Schaufenster 80 cm in der Tiefe zurückgesetzt, 20 cm aus der Fassade auskragen gelassen, damit die Schaufenster den möglichen Kunden entgegengehen. Beim Plaza ist es ganz anders. Da ist ein Klub oder Kino, die keine Fenster brauchen. Sie bekommen auch keine Fenster. Darum hat der Originalbau dieses dreigeschossigen dreieckigen verputzten Gebäudes wenig Fenster. Nur gerade im zweiten Stock, wo ein paar Büro untergebracht sind und auf einer Seite im Erdgeschoss wurde daran gedacht. Die Aufstockung ist aber genau anders, weil das ein Restaurant ist, in einem Restaurant möchte ich nach aussen blicken. Der Originalbau blickt nach innen und ist aussen geschlossen. Die Aufstockung blickt nach aussen weil es ein Restaurant ist. Also ist eigentlich die Situation von der Bahnhofstrasse an einer Fassade, wo sich die Schaufenster zum Kunden entwickelt, dass könnte man sagen, ist beim Plaza gegen oben.
Das Untergeschoss der Männerboutique von COS zu besuchen, ist immer ein schönes Erlebnis. Da befinden wir uns im ehemaliger Safe-Raum. Warum ist nur eine von den Safes offen?
Das ist ein Jammer… wir haben alle Safes wieder hergestellt, die gefehlt haben, sogar einige wurden rekonstruiert. Alle Safes haben wieder ihre Schlüssel und wir hatten natürlich gehofft, dass man mit denen etwas spielt. In diesen Safes gibt‘s eine Metallkniste drin. Ich stellte mir dann vor, man könnte das Safetürchen offen haben und aus der Metallkiste kommt ein Turnschuh oder es kommt ein Handschuh oder es kommen Socken. Bei den grösseren Safes könnte ein Hut herauskommen… aber leider ist das nicht so passiert.
JS: Man erlebt durch ihre Werke eine sozial nachhaltige Erfahrung. Man erlebt Ihre Gebäude, man erlebt die Architektur und man wird als Mensch auch Teil dieser Umgebung…
Ja, das ist mir ganz wichtig!
Da erlebt man auch eine Integration zwischen Gebäude und der Ausnützung von Raum und Zeit. Können Sie ein bisschen mehr darüber erzählen?
Jedes Gebäude hat und bekommt eine Nutzung. Vielleicht hat es die Nutzung vorher gehabt und nach einer Erweiterung oder Umbauphase wird die Nutzung nur angepasst, dann ist es eher ein Glücksfall. Wenn sich die Nutzung total ändern muss, weil die alte Nutzung nicht mehr gefragt ist, wie zum Beispiel beim Gebäude Kirchenweg, wo ein Bürogebäude plötzlich für
Eigentumswohnungen gebraucht wurde, dann ist es wesentlicher komplexer. Ein gutes
Bürogebäude, das riecht nach Büronutzung und ist auf das alles ausgerichtet. Es ist eigentlich einfacher, zum Beispiel in eine Parkgarage Wohnungen einzufügen als eine Parkgarage aus einem Wohnhaus zu machen. Es kommt ganz stark darauf an, wie ist die Hülle und wie die statische Struktur angelegt ist.
Was sind Ihre bevorzugten Elemente bei Einbauten und Umbauen? Beispielsweise für Fifa: Glas, Vegetation bei der Landschaftsarchitektur, blau für die Farbe und Marmor. Beim Caspar Hotel sieht man die wunderschöne Keramik, die Sie lange recherchiert und neu eingeführt haben. Dann gibt‘s Holz, Metall und Kalk sowie primäre Farbe. Beim Hoheshaus in Luzern sieht man Prefa Metall an der Fassade, Beton und Holz. Was sind Ihre Überlegungen, wenn Sie diese Elemente auswählen und was bedeuten sie für Ihre Bauwerke?
Ich habe nicht ein bestimmtes Lieblingsmaterial und mache mit dem alle meine Gebäude. Jede Bauaufgabe bekommt ihre Form, aber auch ihre Materialität, die für diese Aufgabe und in dieser Situation in ihrem Umfeld stimmt. Zum Beispiel Unterengstringen, das Gemeindehaus war ein Wettbewerb, den wir gewonnen haben. Es war unsere Vision, es gab eine sehr grosse alte Scheune dort mit einem wunderbaren Dach. Ich wollte das neue Gemeindehaus wie einen Ersatzbau dieser Scheune darstellen, anderseits hatte ich in der Gemeinde Holzverschalungen gesehen, die mit Leerstellen von Herzen oder Blumen oder Rampen bestückt waren. um die Lüftung von diesem Stall sicherzustellen. Das gab mir die Idee für die Verkleidung dieser Fassade. Nach dem Wettbewerb mussten wir dann in der Umsetzung realisieren, dass Holz in dieser Art zu verwenden nicht zielführend war, weil das gesprungen wäre. Ich wollte ja die Embleme des Gemeindewappens sicher verwenden. Also mit viel Nachdenken sind wir dann auf ein Eloxal Material – ein Metall – gekommen, das wir wir dafür verwendet haben. Ich versuche aus dem Ort, und aus der Nutzung etwas zu generieren. Weil es ein Gemeindehaus ist und nicht eine alte Scheune, habe ich mir überlegt, wie zeichne ich dieses Gebäude aus, das es ein Gemeindehaus ist. Was ist im Gemeindehaus das Wichtigste? Eigentlich der Gemeinderatssaal, wo der Gemeinderat tagt. So sind mir alte Gebäude in den Sinn gekommen. Zum Beispiel im Ignis, wo ein Pfarrhaus, um es auszuzeichnen einen Turm bekommen hat, aber nur vom letzten Stock und etwa 2 Meter über das Dach hinaus. Also ein Erker Turm. Das gab mir die Idee, dem Gemeinderatssaal ein übergrosses Fenster als Erker im Dach anzufügen, um das Gebäude als etwas Besonderes zu kennzeichnen. Es ist immer Nutzung und Ort, dass ich zu etwas Neuem entwickle und nicht eine Vorliebe für irgendein Material.
Das heisst, das Gebäude ist da für einen Menschen und nicht umgekehrt?
Ja. Ja.
JS: In ihrem Streben für Bauperfektion ist sehr viel Risikofreude und Kreativität mitverbunden. Das beste Gefühl: der Bauherr wird als König/in angesprochen. Wenn Sie allen Wünschen entgegenkommen, ist es kein einfacher Weg oder?
TT: Es ist immer eine gemeinsame Entwicklung. Da hilft gegenseitiger Respekt, weil jeder hat eine andere Rolle.
Man kennt Situationen, wo Trennungen zwischen Bauherren passierten…
Das ist der Grund, warum ich nie Einfamilienhäuser bauen wollte. Sagte ich, ich will nicht als junge Frau mich auf Küchen und Badezimmer spezialisieren müssen und dann um Plättlifragen und Farben Entscheidungsprozesse begleiten. Ein Kollege sagte einmal: Das ist gar nicht so falsch, nachher kann man zwei Häuser bauen. Auf die Idee wäre ich nicht gekommen.
Nun, durchIihre Erfahrungen mit grossen Bauprojekten “you make the difference” und implementieren Ihre eigene Handschrift. Ist es auch so mit einem Einfluss aus Graubünden?
Das weiss ich nicht. Man schöpft immer aus seinen Wurzeln. Das ist ganz sicher so. Wahrscheinlich sind die Wurzeln auch nicht so sichtbar oder verblassen mit der Zeit, aber sie sind immer noch da.
Sie haben einen Stil des Bauens, der ab und zu an Graubünden erinnert…
… das realisiere ich selbst nicht! Aber wir haben natürlich in Graubünden eine grossartige Baukultur, das muss man ja sagen.
Wie ist es, Ihren eigenen Kanton so gut zu repräsentieren? Ein Kanton, wo die Frauen sehr stark sind?
Schauen Sie, der Prophet ist im eigener Land sowieso nie gewünscht oder wichtig.
2016 sagten Sie: “Die schönste Aufgabe ist immer die aktuelle. Ihr gilt mein voller Einsatz. Reizvoll wäre ein Museum, weil unser Büro noch nie eines baute und faszinierend ein Hotel, weil wir damit viel Erfahrung sammelten.” Dadurch haben sie mehr als zwei Hotels gebaut.
Ja, ich bin am dritten Hotel.
Welches Hotel? Können Sie ein bisschen davon erzählen?
In Gottlieben, Hotel Drachenburg. Wir sind jetzt dran und mit sehr spannenden Fragen beschäftigt. (Pläne werden gezeigt) Das wäre zum Beispiel ein Zimmer.
Hier brauchen Sie für die Wände alte Gemälde
Ja, die gehören mir noch nicht. Die habe ich entdeckt in einem Lager und die würden genau in dieses Gebäude passen. Deswegen bemühe ich mich dann, das zu bekommen.
Diese Gemälde gehören der Region?
Ja! Sie sind aus Gottlieben.
Hier haben Sie eine Mischung von Art Déco.
Ich mache immer etwas Neues. Die Drachenburg ist zum Beispiel auch ein altes Gebäude. Da habe ich einen Drachen entwickelt, den ich schabloniere. Ich mache eine Form, wo ich die Drachen auch schneide und dann halte ich dieses Papier auf die Wand und stupfe mit der Farbe diese Leerstellen voll und dann sehen Sie die Drachen ganz dicht immer weiter oder weniger in Bewegung und am Schluss gehen sie über die Decke.
Hier haben Sie grüne Möbel und Pastellfarbe drumherum. Ist das, um einen grösseren Raum zu schaffen?
Ich habe verschiedene Räumlichkeiten da.
Warum ist Grün hier so präsent?
Das ist eine bestehende Decke und da passt dieses Grün mit einer Schablone drumherum in Bronze. Schön dazu, weil das der Esssaal werden soll.
Nochmals ein Bau gebaut mit ihrer “sophisticated” Handschrift. Da versuchen Sie, die alte Art von Fenster, obwohl sie neu sind, zu behalten?
Nein! Die sind alt. Ich behalte die alten Fenster und nehme im inneren Flügel ein ganz dünnes Isolierglas als Ergänzung. Diese Lösung hält dieser alte filigrane Rahmen gerade noch aus. (Steht auf und geht auf die Suche nach einem anderen Plan). Eigentlich wollte ich Ihnen ein ganz spannendes Beispiel zeigen.
Corbusier-Stuhl? Nein, von Robert und Trix Haussmann. Nein, noch älter… es ist von Robert Haussmann. Ich hoffe, es wird bald nochmals wieder hergestellt.
Ist diese Möbelstück auch von den beiden?
Nein, das ist ein Wittmann Alleegasse Sofa von Josef Hoffmann.
Jetzt bitte drei kurze Antworte zu drei Begriffen!
Ästhetik (etwas Wichtiges für Sie)
Das hat man einfach!
Design?
Das benützt man!
Kunst sammeln?
Die ergibt sich!
Technologie für Architekturprojekte, das ist auch ein grosses Thema für Sie, oder?
Das ist alles ganz wichtig! Das hat sich alles enorm verändert.
Trotzdem skizzieren Sie immer noch mit freier Hand!
Sie sehen (lacht), bei mir gibt es Rollen von Skizzierpapier und alle meine Bleistifte, jeden Tag brauche ich einen Topf voll.
Ist das auch eine Art von Überlegungsübung?
Ja, ich spreche durch Zeichnungen.
Malen Sie auch?
Früher in der Schule und im Gymnasium, aber seit ich versuche, Architektur zu entwickeln mache ich das bewusst nicht mehr. Alle Skizzen, die ich mache, müssen weggeworfen werden!
Letztes Jahr hat Forsyth eine Inszenierung im neuen Kunsthaus Zürich synchronisiert und vorgestellt im noch leeren Haus, wo man das Gefühl hatte, das Gebäude musste selber eine Vorpremiere haben.
Ich bin leider nicht da gewesen… es ärgert mich, aber als ich wollte, war es für mich nicht möglich.
In diesem Zusammenhang von Raum und Räumlichkeiten… Was bedeutet für Sie die Weite? Sie haben hier an der Wand in Ihrem Büro Skizzen von Christo. Er hat sich viel mit Weite sowie mit der Utopie von Orten und Gebäuden befasst und auseinandergesetzt.
Das ist natürlich noch sein Kunsthalle Bern-Projekt! Das hat man noch erlebt, hat man noch gesehen. Ich bin dazumal seine Sachen auch anschauen gegangen. Jetzt auch wieder der Arc du Triomphe in Paris war einfach wunderbar. Ich habe ihn einmal im Chur erlebt und nachher bei Beyeler in der Fondation, als er die Bäume eingepackt hat. Es war unglaublich! Plötzlich hörte ich morgens in den Nachrichten um 8:00 Uhr, dass das Beyeler-Museum alle Bäume umpacken musste, weil der Naturschutz sich gewehrt hat und sagte, die Bäume gehen kaputt. Ich sagte meinem Team: Abschliessen! Wir fahren alle sofort nach Basel. Wir müssen erleben – was geschieht, wenn ein Baum eine Einhausung bekommt und der Nachbarbaum auch sowie der gegenüberliegende Baum auch. Werden die Bäume so wie gebeutelt und man spürt ihre Distanzen oder ihr Zusammenrücken oder was ist das? Es war fabelhaft. Diese Baumallee an diesem kleinem Fluss, das wurde zu einem Dorf… Die Bäume wurden zu Gebäuden mit verschiedenen Ausdrucksweisen, obwohl alle im gleichen Jute silbrig eingepackt waren. Sie waren alle ganz verschieden in den Formen. Das wurde spürbar.
Was war das Gefühl, das Sie hatten mit dem Arc du Triomphe, wenn er nicht mehr da ist, aber sein Wesen so präsent ist durch sein neuestes Werk?
Ich glaube das ist möglich, weil sein Sohn das Werk realisiert hat. Christo hat selbst mit seiner Frau so viele Skizzen gemacht, die waren da. Ausführen in diesen Dimensionen, kann man sowieso nicht selbst. Das braucht eine grosse Organisation. Es musst alles organisiert sein.
JS: Kann man das als eine kosmische Situation anschauen? Weil er da ist, aber gleichzeitig nicht mehr zwischen uns ist.
Für mich war er da!
Passiert es auch mit den Gebäuden unter Denkmalschutz, die Sie umbauen? Werden die Werkwesen von allen den Architekten herausgeholt, oder?
Alle diese Gebäude kommunizieren, was sich mit denen machen lässt und was nicht. Das Gebäude spricht, man sich muss nur die Zeit nehmen, bis es dazu kommt, dass man selbst sich mit dem Gebäude, seinem Leben, seinem Werken und seinen Veränderungen befasst hat, dass man es erkennt, wo kann ich was machen. Die Schwierigkeit ist diese Erkenntnis der Bauherrschaft verständlich zu übermitteln. Weil ,ich kann ja nicht sagen, das Gebäude hat zu mir gesprochen!…Das ist das, was ich nicht will!
Sie recherchieren lange und minuziös bis zum letzten historischen Detail!
JA!
Was wäre für Sie wichtig, wenn Sie nicht mehr da sind, das die Leute bemerken, durch ihre Bauwerke?
Ich glaube, wichtig ist, das wir alle neugierig bleiben, dass wir offen bleiben für Neues, für anderes, um es kennenzulernen. Aus dem wieder etwas Neues zu erfahren!